Auf ein Wort mit Werner Karlin

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07.10.2015 11:2007.10.2015 11:20 | geschrieben von Manuel Ort

Auf ein Wort mit Werner Karlin

Ein Gespräch über Freiburger und Kaufbeurer Gemeinsamkeiten

Text: Manfred Kraus // Homepage // Interview vom 03. Juli 2015

Werner Karlin lenkt als erster Vorsitzender die Geschicke des Aufsteigers EHC Freiburg. In der Sommerpause unterhielt sich Manfred Kraus innerhalb seiner Interviewserie „Auf ein Wort" mit dem Freiburger Leitwolf. Der vergnügliche Gedankenaustausch förderte allerhand Gemeinsamkeiten zutage.

Manfred Kraus: Meine erste Fühlungnahme mit dem Freiburger Eishockey hatte ich Mitte der Siebziger. Bei der gründlichen Lektüre des Sportkuriers stach mir unablässig ein gewisser Warren van Tassel ins Auge, der für den damals niederklassigen ERC Freiburg Tore wie am Fließband schoss. Seitdem ist viel Wasser die Dreisam hinab geflossen und im Schwarzwald hat man gleichermaßen Gipfel erklommen wie Täler durchschritten. Jetzt ist Freiburg endlich wieder dort, wo es hingehört. Herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg.

Werner Karlin: Herzlichen Dank. Für viele alte Freiburger Fans ist Warren van Tassel immer noch eine Legende und der Inbegriff des Torjägers. Gerade in den letzten vier Jahren haben wir allerdings verstärkt versucht, das Freiburger Eishockey auch jungen Fans nahe zu bringen – und dabei hat uns die starke Ausrichtung auf den eigenen Nachwuchs sicher geholfen.

Manfred Kraus: Es gibt schwierigere Aufgaben als das Aufspüren von Gemeinsamkeiten zwischen dem Freiburger und dem Kaufbeurer Eishockey. Allein schon der denkwürdige 8. April 1990 wird uns für immer verbinden. Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an den löwenzahngelben Sonnensonntag denke, der für uns schließlich zum „Schwarzen Freiburgtag" wurde. Wir waren dem Himmel so nah.

Werner Karlin: An jenem 8. April 1990 hat in Kaufbeuren zweifellos das denkwürdigste Spiel unserer Vereinsgeschichte stattgefunden. Für die Zukunft des Freiburger Eishockeys ist hoffentlich das 1:0 gegen Duisburg am 26. April 2015 genauso wichtig.

Manfred Kraus: Werner, natürlich blickt das Kaufbeurer Eishockey auf eine längere Tradition zurück, allerlei Parallelen zwischen Euch und uns sind aber trotzdem unübersehbar. Würdest Du bitte auf meine Kaufbeurer Einwürfe mit Freiburger Anmerkungen antworten?

Werner Karlin: Ja klar, schieß los!

Manfred Kraus: Früher durften nur zwei ausländische Spieler auflaufen und da war in Kaufbeuren lange Zeit die hochgeschätzte tschechoslowakische Eishockeyschule stilbildend. Unter der Hallendecke hängen die Trikots der genialen Trainerlegende Florian Strida und der unsterblichen Weltklassestürmer Vladimir Martinec und Bohuslav Stastny.

Werner Karlin: Auch unter unserer Hallendecke hängen Trikots mit berühmten tschechischen Namen. Jiri Crha und Milan Chalupa. Nicht zu vergessen Thomas Dolak.

Manfred Kraus: Kaufbeuren und die Eishockeyphilosophie unseres östlichen Nachbarlandes, das passte einfach zusammen. Jiri Kren, Jan Suchy, Vladimir Martinec, Bohuslav Stastny, Jozef Palecek, Frantisek Cernik, Pavel Richter, Karel Holy, Ernest Bokros, Ladislav Lubina, Drahomir Kadlec, Oto Hascak bilden eine Auswahl großer Namen. Wer bietet mehr?

Werner Karlin: Ich glaube, Ihr habt mehr. Dafür haben wir mit Jiri Crha, Viteslav Duris, Miroslav Frycer und Peter Ihnacak vier Spieler, die wenige Jahre vor ihrem Engagement beim EHC bei den Toronto Maple Leafs in der NHL aktiv waren. Wenn wir sorgfältig zählen, kommen aber schon auch bei uns noch ein paar zusammen, um beispielsweise Jiri Zelenka und Richard Zemlicka nicht zu vergessen.

Manfred Kraus: Es gab Zeiten, da gingen die deutschen Spitzenmannschaften reihenweise bei uns baden und die Festung Berliner Platz bebte. Legendär ist ein magischer Abend mit einem 6:2 gegen die DEG, die mit einer saisonübergreifenden Siegesserie von 54:0 Punkten ins Allgäu gekommen war. Unauslöschlich ist das und nehmen kann uns das auch keiner mehr.

Werner Karlin: Da können wir mit dem legendären Gurkenspiel aufwarten. Preußen Berlins Trainer Lorenz Funk hatte die Zweite Liga Süd vor der Relegationsrunde als „Gurkenliga" bezeichnet. Als die Mannschaften einliefen, flogen unzählige Gurken aufs Eis und am Ende hatte sein Team mit 0:10 verloren. Denkwürdig ist auch unser DEL-Spiel gegen die Eisbären Berlin, als wir einen 4:5-Rückstand noch in einen 10:5-Sieg drehen konnten.

Manfred Kraus: Wir kennen uns aber auch mit dem Abstiegskampf ziemlich gut aus.

Werner Karlin: So ist es bei uns ja auch. In die Playoffs der Bundesliga kamen wir nur einmal. Häufiger spielten wir da schon gegen den Abstieg, den wir aber meistens souverän vermeiden konnten.

Manfred Kraus: Niederlagen gehören gleichermaßen zum Leben wie Siege. Als Kaufbeurer Eishockeyfreund muss man eben auch einstecken können. Aber gerade das macht uns aus. Pfiffe sind deshalb am Berliner Platz weitgehend unbekannt. Erfolgsfan kann jeder sein.

Werner Karlin: Auf den harten Kern unserer Fans trifft das sicher auch zu. Ob das in der Breite stimmt, wird sich bei uns zeigen. In den letzten drei Jahren wurden die Fans mit Siegen verwöhnt. Jetzt wird es deutlich schwieriger.

Manfred Kraus: Früher haben wir schon einmal größere Brötchen gebacken. Eishockey macht in Kaufbeuren aber auch heute noch riesigen Spaß.

Werner Karlin: Kaufbeuren und Freiburg haben halt eine Eishockeykultur und kein Arenaambiente, wo die Stimmung nicht so überspringt und die Leute schon einmal schneller ungeduldig werden.

Manfred Kraus: Unsere Eishalle wurde anno neunundsechzig eingeweiht. Mittlerweile ist sie in die Jahre gekommen und marode geworden.

Werner Karlin: In Freiburg stammt die Halle aus den siebziger Jahren und sie ist ebenfalls nicht mehr zeitgemäß. Andererseits muss man sehr vorsichtig sein, wenn man Tradition verpflanzen möchte.

Manfred Kraus: Beschwerlich war der Weg zu einer neuen Halle, beschwerlich und steinig.

Werner Karlin: Wir erleben das in Freiburg gerade parallel, weil die Planungen für ein neues Fußballstadion und eine neue Eishalle quasi nebeneinander laufen.

Manfred Kraus: Der ESVK ist traditionell eine der großen Talentschmieden des deutschen Eishockeys. An der Wertach besitzt die Förderung des Nachwuchses einen hohen Stellenwert.

Werner Karlin: Das ist bei uns genauso. Deswegen haben wir uns auch sehr über die Auszeichnung durch die Erich-Kühnhackl-Stiftung gefreut, mit der unsere Nachwuchsarbeit gewürdigt wurde.

Manfred Kraus: ESVK. Kleiner Verein. Großes Herz. Starker Zusammenhalt. Kaufbeurer Eishockeyfamilie.

Werner Karlin: EHC. Einsatz. Herz. Charakter.

Manfred Kraus: Kaufbeuren ist schon immer ein kleines gallisches Dorf gewesen und der David aus dem Allgäu wird sich im Ringen mit den Goliaths dieser Eishockeywelt auch in Zukunft nicht unterkriegen lassen.

Werner Karlin: Als gallisches Dorf kann man Freiburg natürlich nicht sehen. Höchstens als kleine Großstadt. Den scheinbar übermächtigen Großen haben aber auch wir immer wieder Paroli geboten und das soll auch so bleiben.

Manfred Kraus: Unser Mindestziel heißt auch heuer zunächst Klassenerhalt. Auf die Playoffs schielen wir aber trotzdem.

Werner Karlin: Ich möchte sogar weitergehen und unserem Team nicht den Klassenerhalt als Ziel vorgeben. Das ist mir als Ziel zu selbstverständlich. Du steigst ja nicht auf, um gleich wieder abzusteigen. Die Spieler müssen in jedem Spiel ihr Bestes geben und dann werden wir sehen, wofür es reicht.

Manfred Kraus: Wir packen das. Joker geben niemals auf.

Werner Karlin: Eine eindeutige Parallele. Auch Wölfe wissen, wie man kämpft. In der Oberliga haben wir in den letzten Jahren unglaublich viele Spiele gedreht. Beispielsweise lagen wir in Bayreuth zwanzig Sekunden vor Schluss 0:2 hinten und haben trotzdem noch mit 3:2 nach Verlängerung gewonnen.

Manfred Kraus: Die Leute in unserem Landstrich sind bodenständig. Da baut man keine Luftschlösser. Lieber macht man einen Schritt nach dem anderen. Auf einen hoffnungsvollen Weg gemacht haben wir uns aber. Aufbruchsstimmung im Allgäu.

Werner Karlin: Wir haben uns binnen drei Jahren von der Regionalliga in die DEL2 zurück gekämpft. Da gab es viele Siege und auch viel Euphorie. Wir möchten alles versuchen, damit die möglichst lange anhält. Allerdings hat sich die DEL2 nach meiner Ansicht in den letzten Jahren von der Oberliga wegentwickelt. Es ist schwerer geworden, drin zu bleiben.

Manfred Kraus: Schön, dass Ihr wieder da seid. Ich drücke dem Wolfsrudel die Daumen. Auf ein gutes Eishockeyjahr in Eurer alten Hütte.

Werner Karlin: Wir sind sehr gespannt. Auch Euch alles Gute.

Manfred Kraus: Werner, besten Dank und herzliche Grüße in den Schwarzwald.

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