Südtiroler Eindrücke

Eishockey Allgemein

31.05.2016 16:4431.05.2016 16:44 | geschrieben von ESVK-Presseteam

Südtiroler Eindrücke

Das Eishockey verleiht Kaufbeuren auch im Meraner Land ein Gesicht

"Der Eisplatz in der Gaul Ende Mai 2016. Wegen des bevorstehenden Konzerts Open Air Gaul waren die Banden abmontiert (Foto: Manfred Kraus)."

Ein makelloser Blauhimmel spannt seine feine Seide über das Burggrafenamt und die strahlende Maisonne wärmt den Meraner Kessel. Das Licht ist glasig und durchscheinend. Nur ein paar harmlose Wölkchen weiden auf den schneebedeckten Gipfeln des Ifinger und des Hirzer, die die kleinen wollweißen Herden hüten wie Schäfer. Das Auge aber kann sich nicht sattsehen an den Ausschweifungen des Grüns. Apfelgrün, weinrebengrün, kastanienblütengrün, feigengrün, zypressengrün, bergmattengrün, latschengrün, tannengrün bedeckt es den Talboden und die Hänge, aus denen schroff die schrundigen Scharten der uralten Grauriesen herauswachsen. Von der Bilderbuchlandschaft geht etwas Beruhigendes aus, etwas Maßvolles, ein Gleichklang. Ihre Schönheit verzaubert die Sinne. Man kann sie beinahe körperlich spüren.

Drunten im Obstort Lana begrüßt ein mannshohes Konterfei des weltberühmten Rennrodlers Armin Zöggeler die Besucher. Der große Sohn Südtirols ist in der eingemeindeten Fraktion Völlan daheim und vielen Menschen zum Vorbild geworden. Das Bild des zweifachen Olympiasiegers und sechsfachen Weltmeisters würdigt einen herausragenden Ausnahmeathleten und einen hochgeschätzten Sportsmann. Sein Name steht aber auch sinnbildlich für die Vielzahl großartiger Erfolge von Südtiroler Wintersportlern.

Dabei haben sie es beileibe nicht leicht gehabt im italienischen Sport, die Südtiroler. Ihre Leistungen mussten herausstechen, um angemessene Beachtung zu finden. Im Zweifelsfall wurden ihnen nicht selten italienische Sportler vorgezogen. Überliefert ist die Geschichte eines sechzehnjährigen Burschen aus Lana. Ein hochtalentierter Eishockeytorwart. Nachwuchsmeister mit dem HC Bozen. Darüberhinaus in seiner Altersklasse zum besten Schlussmann des Landes gekürt. Trotzdem fand er keine Berücksichtigung in der Nationalauswahl, wo ihm ein weniger begabter Konkurrent vor die Nase gesetzt wurde. Anfang der Neunziger war das. Er konnte sie nicht verstehen, seine Zurücksetzung. Aus lauter Enttäuschung warf er alles hin. Er hörte auf.

Von den tellergroßen Blattlappen der Feigen tropft das Licht der wärmenden Maisonne auf den Boden und an den knospenden Kastanienbäumen wächst die Vorfreude auf das herbstliche Rösten der Keschtn mit. Eine Armlänge von der tosend Einzug in Lana haltenden Falschauer komme ich mit Wolfgang Schwienbacher ins Gespräch. Der freundliche Mann mit dem Dreitagebart spielt im Garten vor dem Haus mit seinem Sohn Fußball. Sein blaues Hemd mit der Aufschrift Suomi aber verrät ihn als Freund der in Russland von Sieg zu Sieg eilenden finnischen Eishockeyauswahl. "Bei ins spielen olle", erzählt der dreifache Vater freimütig, "inser Großer sein beim HC Meran in der U14 und insere Zwillinge gehen für Lana aufs Eis."

Der SV Lana ist ein reiner Amateurverein. Seine Senioren kämpfen im Pro Hockey Cup mit sieben weiteren Mannschaften aus Südtirol und dem Trentin um Tore und Punkte. Im vergangenen Winter kamen die Hornissen in der Achterliga mit elf Siegen aus vierzehn Spielen als Tabellenzweiter knapp hinter dem ASV Jenesien, aber vor dem AHC Vinschgauer Wild Hogs und dem SV Burgstall ins Ziel. Die wahre Stärke des SV Lana aber liegt in der Förderung der Jugend. Schon die Vierjährigen können die Eishockeyschule der Lana Young Lions besuchen und sich später in den Nachwuchsmannschaften beweisen.

Ein Wort gibt das andere und als ich seine Frage nach meinem Woher und Wohin beantworte, renne ich bei Wolfgang Schwienbacher, der selbst im vorwiegend aus ehemaligen Mannschaftsspielern zusammengesetzten Freizeitteam Hallo Freunde dem Puck nachjagt, offene Türen ein. Er ist sogleich Feuer und Flamme: "Natürlich sagt mir das Allgäu etwas. Apfeltrach habe ich noch nie gehört, aber Kaufbeuren, das kenne ich vom Eishockey. Dort gibt es eine große Tradition und eine starke Mannschaft. Der ESV Kaufbeuren ist für mich kein Unbekannter und Kaufbeuren eine Eishockeyhochburg. Ohne das Eishockey wüsste ich wohl nichts über die Stadt."

Wir haben einander allerhand zu erzählen. Die Leidenschaft Eishockey verbindet eben die Menschen. Zudem dient der in Schlanders geborene Nationaltorhüter Thomas Tragust als weiteres Bindeglied zwischen Südtirol und dem Allgäu, wo Tschomby 2009 seine Zelte aufschlug. "Thomas Tragust ist ein sympathischer Kerl", bemerkt Wolfgang Schwienbacher anerkennend, "er kümmert sich viel um den Nachwuchs und veranstaltet Camps für junge Torhüter."

Mein neuer Eishockeykumpel wartet indessen mit noch einer Überraschung auf: "Bei Hallo Freunde spielen wir einfach zum Spaß. Wir treffen uns einmal in der Woche auf unserem Eisplatz und im März findet die Gaultrophy statt. Das ist ein großes internationales Freizeitturnier. Wir sind aber auch schon bei einem Hobbyturnier in Kaufbeuren gewesen. Daran erinnere ich mich sehr gern. Seit drei Jahren fahren wir zwar nach Landsberg am Lech, aber auch meine Buben haben schon ein Nachwuchsturnier in Kaufbeuren gespielt."

Südtirol ist Eishockeyland. Zwar steht die Sportart deutlich im Schatten des Skisports und zu allem Überfluss setzt das zumeist geringe Fassungsvermögen der Eishallen mancher Entwicklung Grenzen, doch ist das Südtiroler Eishockey innerhalb Italiens auch in den höheren Klassen tonangebend. "Bei euch in Deutschland ist das Eishockey natürlich eine Nummer größer als hierzulande", hat mir Markus Santer, der ein gestandenes Mannsbild und obendrein ein Pfundskerl ist, droben auf dem idyllischen Untermösslhof schmunzelnd mit auf den Weg gegeben, "aber Eishockeyverrückte gibt es auch bei uns. Ein Freund von mir fährt zu jedem Spiel bis hinauf nach Bruneck, um den Wölfen in der Serie A die Daumen zu drücken. Der hält sich schon bald öfters im Pustertal auf als daheim in Lana."

Der HC Pustertal verkörpert italienisches Spitzeneishockey. Er unterlag im Kampf um die Meisterschaft erst in der hartumkämpften und spannungsgeladenen Finalserie dem Ligaprimus Rittner Buam denkbar knapp. Höherklassiges Eishockey wird aber auch in Sterzing, Wolkenstein, Kaltern, Eppan, Neumarkt und Meran geboten. Der HC Bozen spielt gar in der starken internationalen Eishockeyliga EBEL eine beachtliche Rolle.

Dagegen bäckt man beim Amateureishockey in Lana natürlich ganz kleine Brötchen, zumal die langgestreckte Marktgemeinde, deren alte Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt den berühmten gotischen Flügelaltar des Hans Schnatterpeck beherbergt, über keine Eishalle und im Grunde genommen nicht einmal über ein Stadion verfügt. Gerade darin liegt aber auch ein großer Reiz, ist Lanas pittoresk gelegener Eisplatz eingangs der wilden Gaulschlucht doch ein wahres Juwel für Eishockeyromantiker und ein Seelenort, um seinen Gedanken nachzuhängen.

Die an Weihnachten 1968 eingeweihte und seither baulich nahezu unverändert gebliebene Anlage wird von lotrecht dem Himmel zustrebenden Felswänden geradezu umarmt. Natürlich täten nach all den Jahren ein paar infrastrukturelle Verbesserungen not. Außer den vier stahlgrauen Flutlichtmasten und dem schmucklosen Häuschen mit den Umkleidekabinen, der Bar und den Toiletten ist da nicht viel. Warum es aber überhaupt gutgehen konnte, dass Lana erst vor sieben Jahren Kunsteis bekam, erklärt Markus Santer: "Das Natureis hält bei uns ohnehin recht lang. Zusätzlich aber pfeift durch die Gaul der Wind und auch das eiskalte Wasser der zwischen den Felsen und dem Eisplatz durchfließenden Falschauer, die im hintersten Ultental als Gebirgsbach entspringt, kühlt die Luft noch einmal beträchtlich ab."

Die Errichtung der Kunsteisanlage verschaffte dem Lananer Eissport Planungssicherheit und sie hat zwischen Oktober und Anfang März in den Spiel- und Trainingsbetrieb Regelmäßigkeit gebracht. "Das hat uns selbstverständlich weitergeholfen, aber es ist auch schon davor immer ziemlich gut gelaufen. Und es war schon ein herrliches Gefühl da hinten in der Gaul mit dem Natureis", schleicht sich auch ein Schuss Wehmut in die Gedanken von Wolfgang Schwienbacher und man kann gleichsam zuschauen, wie ein Bild in seinem Kopf entsteht – die Dunkelheit, die Kälte, die Stille, die Felswände, das Flussrauschen, der Sternenhimmel, dann das Flutlicht, die Anspannung, das Spiel.

Als Gegenentwurf zu der zügellosen Eventhörigkeit unserer Zeit führt uns der unprätentiöse Eisplatz in der Gaul auf das aus dem Blick verlorene, weil in die Peripherie unserer Wahrnehmung gedrängte Eigentliche zurück. Die Reduktion auf das Wesentliche bedeutet eine Erinnerung an die Wurzeln, an die Ursprünge, an die Herkunft. Sich hie und da einen Augenblick darauf zu besinnnen, schärft den Blick, weitet die Gedanken, hilft, das rechte Maß zu halten und ein Gleichgewicht zu bewahren. Diese Aufgabe ist anspruchsvoller als der Bau von Luftschlössern. In Südtirol und im Allgäu bemüht man sich redlich darum.

Von Manfred Kraus

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